Wahlprüfsteine zur Landtagswahl 2021

Wahlprüfsteine und Forderungen der Freien Wähler des Landesverbandes Baden-Württemberg e. V. zur Landtagswahl am Sonntag, 14. März 2021

I. Die kommunale Selbstverwaltung stärken und die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden weiter unterstützen und fördern!

Kommunale Freie Wähler achten in besonderer Weise darauf, dass die Kommunen über die notwendige finanzielle Ausstattung verfügen, um Politik für die Menschen vor Ort auch in die Tat umsetzen zu können. In den Kommunen trifft Politik auf die Wirklichkeit! Dies bedeutet für uns, dass die Kommunen mit den finanziellen Mitteln ausgestattet werden müssen, um den Aufgaben und Anforderungen vor Ort gerecht zu werden. Die Landespolitik ist in der Pflicht, für eine angemessene Ausstattung und für einen gerechten Ausgleich zwischen steuerstarken und finanzschwachen Kommunen zu sorgen. Es muss außerdem sichergestellt werden, dass die Mittel, die den Kommunen zustehen, in vollem Umfang und vor allem zeitnah den Kommunen bereitgestellt werden.

II. Aktiv Wege aus der Corona-Krise unterstützen, d.h. den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg stärken, innovativ gestalten, zukunftsfähig und krisenfest machen!

Es müssen weitere Förder- und Unterstützungsprogramme für Unternehmen, Handwerk, Handel und Dienstleistung erarbeitet und umgesetzt werden. Vor allem für den Mittelstand und für kleinere Unternehmen im Event- und Gastronomiebereich, aber auch für Hotels, Schauspieler, Musiker, Künstler und andere Berufsgruppen, die besonders von den Folgen der Corona Pandemie betroffen sind. Weitere Ausgleichs- und Förderprogramme für die Zukunftsfähigkeit der Städte, Landkreise und Gemeinden werden benötigt. Und das heißt, den Umbau des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg auf innovative Formen der Mobilität inkl. der Batterieforschung voranzutreiben. Die Entwicklung alternativer Antriebstechniken mittels Wasserstoff und die Weiterentwicklung synthetischer Kraftstoffe muss noch wirksamer gefördert und unterstützt werden. Auf eine umweltverträgliche Gewinnung der dazu benötigten Rohstoffe muss dabei ebenfalls besonders geachtet werden. Der Förderung von neuen und bestehenden Projekten zur Weiterentwicklung von Photovoltaik, Brennstoffzelle und Wasserstoffantrieb durch die Unterstützung der vorhandenen Institute und Unternehmen räumen wir eine Vorrangstellung ein. Wir sehen darin einen wichtigen Beitrag zur Zukunftssicherung und Zukunftsgestaltung in unserem Land. Baden-Württemberg soll insgesamt „breiter“ aufgestellt werden. Dazu gehört, unsere bestehenden Kernkompetenzen in den Bereichen Gesundheit und Medizintechnik weiter an die Spitze zu bringen.

III. In allen Lebensbereichen eine durchgehende Digitalisierung vorantreiben!

Deutschland ist in der Digitalisierung im OECD-Vergleich ein Entwicklungsland. Baden-Württemberg kann und muss als wirtschaftsstarke und innovative Region auf Landes- und Bundesebene die Weichen für eine durchgängige Digitalisierung in allen Lebensbereichen stellen. Diese beginnt beim Netzausbau, geht über vernetzte und wertschöpfende Bürgerdienste, Bildungssysteme und Gesundheitssysteme und endet nicht zuletzt in der Mobilität und den Verkehrssteuerungen der Zukunft. Digitalisierung betrifft alle Lebens- und Arbeitsbereiche und muss vor allem „zu-Ende“ gedacht und umgesetzt werden. Insbesondere müssen dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um eine sichere Datenspeicherung und Datennutzung zu ermöglichen und eine hohe Akzeptanz für den durchgängigen Nutzen der Digitalisierung für Jung und Alt zu erreichen. Die Umsetzung muss außerdem inklusiv erfolgen, d.h. die Nutzungszugänge und Barrieren sind so gering wie möglich zu gestalten. Mobiles Arbeiten muss flächendeckend und lückenlos möglich sein. Eine Investition in die Digitalisierung führt zu hocheffizienten Verwaltungsprozessen, bringt Mehrwerte für die Bürger, schafft neue Arbeitsplätze und Bildungsangebote und stärkt erheblich die Innovations- und Wirtschaftskraft.

IV. Unser Bildungssystem muss stärker, leistungsfähiger und innovativer werden!

Unsere Kinder sind unsere Zukunft. Insofern darf unser Bildungssystem nicht mehr ein Spielball und Versuchslabor sein. Bildung muss wieder im internationalen Vergleich stärker, leistungsfähiger und zeitgemäßer sein. Vom Kindergarten über die Grundschule und die weiterführenden Schulen bis hin zu den Hochschulen, muss das Bildungssystem den aktuellen Herausforderungen gerecht werden. An Investitionen in eine durchgängige Digitalisierung, Ausstattung mit Hard- und Bildungssoftware, dem Hardware-Support sowie der Ersatzbeschaffung darf nicht gespart werden. Zur Digitalisierung in den Schulen gehört u.E. auch die Bereitstellung von Onlineangeboten, die ein selbstbestimmtes selbstmotiviertes Lernen der Schülerinnen und Schüler, auch von zuhause aus, ermöglichen.

Mehr Lehrkräfte müssen eingestellt werden, um die Klassenstärken von über 30 Kindern zu reduzieren und pädagogisches Personal an den Schulen und Hochschulen müssen besser geschult und motiviert werden. Motivierte Lehrkräfte machen eine bessere Arbeit! Die unwürdige Entlassung während der Schulferien und Neueinstellung nach den Ferien muss beendet werden. Baden-Württemberg muss Exzellenzstandort für innovatives Wissen und Denken werden.

Neben der technischen Ausstattung für die Digitalisierung sehen wir einen großen Bedarf im Bereich der Schulsanierung auf die Kommunen zukommen. Wir fordern ein Sanierungsprogramm, das die Städte und Gemeinden hier wirksam unterstützt. Auch die Hochschullandschaft muss mit Priorität ausgebaut und noch besser gefördert und ausgestattet werden.

V. Familien stärken, Teilhabe fördern, Pflegende stärken!

Wir fordern eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir fordern eine stärkere Förderung der Quartiersentwicklung, von Bauherrengemeinschaften, -genossenschaften und weiteren innovativen Wohnbaulösungen, die die Wohnungsnot in unserem Land schnell und wirksam bekämpfen. Wir fordern auch eine bessere Entkopplung von familiären Einkommen und dem Bildungserfolg von Kindern in unserem Land. Zudem müssen wirksamere Strategien zur Förderung von besserer Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit entwickelt werden. Der weitere Ausbau von Kitas samt einer wirksamen und schnellen Förderung der Personalgewinnung muss Vorrang haben.

Wir fordern von den Parteien, den demografischen Wandel noch besser im Blick zu haben: Wir werden rasant älter, schnell bunter, in Teilbereichen weniger, … Seniorenpolitik, Migrations- und
Integrationspolitik gilt es zu fördern und wirksame Programme weiterlaufen zu lassen (Integrationsmanager). In Baden-Württemberg Lebende sollen, egal woher sie kommen oder in welcher
sozialen Lage sie sich befinden, am öffentlichen Leben teilhaben können. Es sollen vorhandene und neue Projekte, Angebote und Initiativen dauerhaft unterstützt werden, die Annäherung ermöglichen, Kommunikation fördern und Grenzen abbauen. Familien stärken heißt für uns auch die „pflegenden Angehörigen“ im Blick haben. Deshalb fordern wir auch eine stärkere Unterstützung der pflegenden Angehörigen (z.B. durch eine bessere Förderung von Nachbarschaftsvereine, Ortskrankenpflegevereine, …) und eine spürbare Verbesserung der Rahmenbedingungen/Situation in den Pflegeeinrichtungen (Personalschlüssel, Ausstattung, techn. Hilfen, Kapazitäten, …).

VI. Gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Ehrenamt stärken!

Freie Wähler sind insbesondere bekannt für ihr Engagement, ihre Unterstützung und ihre Herkunft aus der Ehrenamts- und Vereinsarbeit. Durch Corona stehen viele Vereine vor ganz besonderen Herausforderungen. Deshalb fordern wir, die Übungsleiterpausche von derzeit 2.400 Euro pro Jahr auf 3.600 Euro pro Jahr anzuheben (für Ausbilder, Erzieher, Betreuer, Dirigenten, Chorleiter, Trainer, …). Daneben fordern wir, dass auch die Ehrenamtspauschale in Höhe von derzeit 720 Euro auf 1.500 Euro erhöht wird. Damit möchten wir eine bessere Anerkennung der Tätigkeiten in den Vereinsvorständen, bei Schatzmeistern oder Platz- und Gerätewarten ermöglichen. Die Parteien müssen sich hier für eine konkrete Verbesserung einsetzen. Ohne ein wirksames, gefördertes Ehrenamt ist in den Vereinen, kein längerfristiges motivierendes Arbeiten möglich. Wir stehen auch für mehr Anerkennung und für eine bessere Förderung der notwendigen und vielfach geforderten Professionalisierung im Ehrenamt. Außerdem haben wir den Eindruck, dass von den rund 50 konkreten Vorschlägen zur Entlastung von Vereinen und Ehrenamtlichen von Bürokratie (Vorschläge des Normenkontrollrates vom Oktober 2019) noch zu wenige Vorschläge konkret in die Umsetzung gekommen sind. Hier fordern wir einen jährlichen Bericht der Landesregierung zum Stand der Umsetzung der Vereinsentlastung von Bürokratie.

VII. Nachhaltigkeit, Energiewende, Klimaschutz mit Schub und Elan nach vorne bringen!

Alle Maßnahmen für mehr Klimaschutz müssen weiter ausgebaut werden, primär mit Förderprogrammen, anstatt mit Geboten oder Verboten. Ein konfliktfreies Nebeneinander soll mit einer Priorisierung nach Stärke der Verkehrsteilnehmer gefördert werden, zuerst die Fußgänger, dann die Radfahrer und dann der motorisierte Individualverkehr. Durch aktive Stadtraumgestaltung und mehr Grün in den Stadtzentren wird Lebens- und Aufenthaltsqualität und zudem der Klimaschutz wirksam gefördert. Wir sehen, dass die Nachhaltigkeit insbesondere bei der Mobilität noch viel schneller und wirksamer verbessert werden könnte. Deshalb fordern wir einen weiteren Ausbau und eine weitere Verbesserung des ÖPNV (Taktung, Platzangebot, Barrierefreiheit, Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken …). Wir legen auch Wert auf einen weiteren Ausbau der Radwege. Hier könnte ein landesweites Förderprogramm den Ausbau und die Anlage von Radwegen noch schneller voranbringen. Auch die Fahrradinfrastruktur soll nachhaltiger und besser gefördert werden. Neben der Förderung des ÖPNV bleibt unser Land nur leistungsfähig, wenn wir auch das Straßennetz für einen funktionierenden Individualverkehr nicht aus dem Blick verlieren. So fordern wir insbesondere auch die Realisierung des Nord-Ost-Rings um die Landeshauptstadt, der im Bundesverkehrswegeplan enthalten ist.

VIII. Lebensqualität und Zukunft für den ländlichen Raum und die Zentren fördern!

Wir fordern, den weiteren Ausbau der strukturellen Förderung des ländlichen Raumes, der kleinen Gemeinden, um vor Ort die Lebensqualität weiter zu verbessern. Der ländliche Raum leidet ansonsten durch den Wegzug von jungen Familien in Richtung der großen Zentren mit ihrem näheren Umfeld („Sog der Städte“). Hierzu gehören auch der stärkere Einsatz für die Verbesserung der Hausärzteversorgung im ländlichen Raum sowie der Erhalt einer dezentralen, bürgerfreundlichen Krankenhauslandschaft. In den Zentren gehören für uns Sicherheit und Sauberkeit zu wesentlichen Faktoren für eine erfahrbare Stadt- und Lebensqualität. Insbesondere für die Sicherheit hat das Land durch einen weiteren Ausbau der kommunalen Kriminalprävention die notwendigen personellen Ressourcen bereitzustellen. Die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum, schnellere Umsetzung der beschlossenen Programme, ein effektiver Bürokratieabbau und Vorfahrt für einfache Genehmigungsverfahren, gehören wir für uns zum weiteren Aufgabenprogramm einer neuen Landesregierung. Vor allem aber gilt: Der Breitbandausbau und eine wirksame Mobilfunkabdeckung müssen Priorität Nr. 1 in Stadt und Land haben. Auf die Telekommunikationsunternehmen muss entsprechend Druck ausgeübt werden, damit die verlegte und vorhandene Infrastruktur auch in Anspruch genommen und ein annehmbares Angebot von den Anbietern auf den Tisch gelegt wird.

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